Die Bekassine

Vogel des Jahres 2013

Mit der Wahl der Bekassine wird im Speziellen auf den starken Rückgang von Mooren bzw. naturnaher Wiesen und Weiden aufmerksam gemacht, wovon auch andere Vogelarten wie Kiebitz, Rotschenkel, Wachtelkönig oder Braunkehlchen betroffen sind. Durch die Umwandlung dieser Flächen in Ackerland z.B. zur Biogasgewinnung gehen diesen und noch vielen anderen Arten ihre Rast- und Brutplätze verloren, welches sich durch ständig abnehmende Brutzahlen in Deutschland bemerkbar macht. Allein in den letzten drei Jahrzehnten verlor der Schnepfenvogel fast die Hälfte ihres Lebensraumes.

 

Die Bekassine gehört zur Familie der Schnepfenvögel (Scolopacidae), die auf dem Gebiet der Westpaläarktis 56 Arten umfasst. Ihre nächsten Verwandten in dieser Familie sind die Zwergschnepfe und die Doppelschnepfe. Weitere in Europa heimische Schnepfenvögel sind Waldschnepfe, Uferschnepfe und Pfuhlschnepfe.

 

Die Bekassine ist eine mittelgroße Schnepfenart und mit einer Körpergröße von etwa 25bis27 cm etwa so großwie eine Amsel. Typisch für die Bekassine sind der überproportional lange, gerade Schnabel, die relativ kurzen Beine und die insgesamt gedrungene Gestalt. Ihr Gefieder mit einer Streifung in verschiedenen Braun-

und Beigetönen ist eine perfekte Anpassung an die Vegetation ihres Lebensraumes. Die helle Streifung am Kopfunterscheidet sie von anderen Schnepfen. Der Bauch ist weiß und wird an den Flanken von dunkelbraunen Querbändern unterbrochen.

 

Die Bekassine ist kein reiner Nahrungsspezialist. Sie ernährt sich vor allem von verschiedenen Kleintieren, die sie in der oberen Bodenschicht und auf der Bodenoberfläche findet. Das können kleine Schnecken, Krebstierchen und Würmer sein, aber auch verschiedene am Boden lebende Insekten und deren Larven. Daneben werden auch gern Samen und Früchte von Seggen, Binsen und Kräutern aufgenommen.

Zur Nahrungssuche hält sich die Bekassine gerne an flachen Gewässerrändern, überfluteten Wiesen oder Torfstichen auf. Hier stochert sie mit ihrem langen Schnabel im feuchten Boden oder im flachen Wasser, wobei sie langsam voran watet.

Der Schnabel der Bekassine ist ein Hightech-Gerät, mit dem sie zugleich stochern, tasten und Kleintiere orten kann. Der Oberschnabel ist vorne biegsam , so dass kleinere Beutetiere sofort verschluckt werden können, ohne dass der Vogel den Schnabel aus der Erde ziehen muss. Ist der Boden fester, öffnet die Bekassine den Schnabel schon beim Einstechen leicht, um wie mit einer Pinzette zugreifen zu können.

Die gut getarnt lebende Bekassine ist am leichtesten anhand ihrer Stimme zu entdecken. Bei Störungen fliegt sie blitzartig im Zickzack auf und ruft dabei heiser „ätsch“, was wie ein aus dem Sumpf gezogener Gummistiefel oder ein unterdrücktes Niesen klingt. Während der Brutzeit singt die Bekassine am Boden, auf einem erhöhten Ansitz, z.B. einem Zaunpfahl oder Baumstamm, oder im Flug über ihrem Revier ein schnelles, ausdauerndes „tük-ke“ oder „tick-up“.

Das aber wohl bekannteste Verhalten der Bekassine ist der geräuschvolle Ausdrucksflug der Männchen zur Brutzeit, der ihr im Volksmund Namen wie „Himmelsziege“ oder „Meckervogel“ eingebracht hat.

Während das Männchen ein Revier besetzt, ist der Nestbau dann Frauensache. Es wählt dafür gerne einen erhöhten Standort, z.B. auf den im Moor typischen Bulten. In die flache Mulde, die noch mit trockenen Grashalmen ausgepolstert wird, legt es ab Ende April im Abstand von je 24 Stunden meist vier graue bis olivfarbene, dunkel gesprenkelte Eier.

Die Eier werden etwa 20 Tage lang vom Weibchen bebrütet. Dabei ist es dank seiner Gefieserfärbung und durch überhängende Grashalme oder Zwergsträucher gut versteckt. Das Männchen hält in dieser Zeit in Sichtweite des Nistplatzes Wache und versorgt es mit Nahrung.

Die Jungen verlassen nach dem Schlüpfen bereits am ersten Tag das Nest. Zunächst werden sie noch von den Eltern gefüttert, fangen aber bald selbst an, nach Nahrung zu stochern. Die Altvögel führen ihre Küken zu den besten Futterplätzen, wobei es häufiger vorkommt, dass sich die Familien teilen. Nach etwa 20 Tagen machen die Jungen die ersten Flugversuche, vollständig flügge sind sie mit vier bis fünf Wochen. Sollte die Bekassine mal von Fressfeinden überrascht werden, versucht diese durch sogenanntes „Verleiten“ den Feind vom Nest bzw. den Jungen wegzulocken. Bei Gefahr kann der ALtvogel seine Jungen auch durch einklemmen zwischen Schnabel und Brust im Flug transportieren.

Verleiten und Abtransport helfen allerdings nicht, wenn Nester durch Rinder, Kühe oder Zeigen zertrampelt werden bzw. die Brutplätze bei Hochwasser überschwemmt werden.

Die Bekassine ist über Eurasien von Island bis Kamtschatka verbreitet. In Mitteleuropa kam sie ursprünglich flächendeckend vor, mit Schwerpunkt in der Niederländisch-Deutsch-Polnischen-Tiefebene. Höhenlagen von > 900 m über NN meidet die Bekassine.

Bekassinen sind überwiegend Kurzstreckenzieher, deren Überwinterungsgebiete in Nordwest-, West-und Südeuropa und rund um das Mittelmeer liegen. Es gibt aber auch einige Langstreckenzieher, die bis in die nördlichen Tropen Westafri-kas oder über Ostafrika bis südlich des Äquators fliegen. Ring-funde aus dem Senegal oder aus dem Tschad zeigen Distanzen von über 2.000 km zwischen Brut-und Überwinterungsgebiet.

Bekassinen die in Nordwesteuropa, insbesondere Großbritanni-en und Irland, heimisch sind, bleiben dagegen auch im Winter in ihrem Brutgebiet. Bekassinen sind während des Zuges meist in Trupps unterwegs.

Noch in den 1970er Jahren galt die Bekassine als „verbreiteter“ Brutvogel. Heute ist jedoch in fast allen europäischen Ländern, insbesondere in Mittel-und Westeuropa, ein Rückgang erkennbar. Die Zahl der in Deutschland brütenden Bekassinen wird aktuell auf etwa 5.500 bis 6.700 Paare geschätzt.

Der starke Rückgangder Bekassine ist vor allem durch die immer schlechteren Lebensraumbedingungen begründet. Insbesondere die Entwässerung feuchter Standorte, um diese intensiver bewirtschaften zu können, ist ein großes Problem. Dadurch geht nicht nur die Stocherfähigkeit der Böden und damit die Nahrungsverfügbarkeit verloren. Entwässerte und intensiv bewirtschaftete Wiesen weisen auch nicht mehr die strukturreiche Vegetation auf, die die Bekassine für das Verstecken ihrer Nester und die Nahrungssuche benötigt. Wird hier trotzdem ein Brutversuch unternommen, fällt das Gelege dem Traktor oder

Mähwerk zum Opfer, da derMahdtermin für die Bekassine oft zu früh angesetzt ist.

Auf intensiv bewirtschafteten Wiesen findet man meist nur wenige, dafür aber besonders wüchsige Grasarten. Durch die zusätzliche Düngung sind solche Flächen bereits zu dicht und zu hoch bewachsen, wenn die Bekassine mit der Brut beginnen will. Pestizideinsatz sorgt zusätzlich dafür, dass der Arten-und Struk-turreichtum auf Intensivgrünlandflächen verloren geht.

Verschärft wird der zunehmende Verlust von geeignetem Lebensraum durch den aktuellen Biogas-Boom. Grünland, selbst auf feuchten Standorten, wird zurzeit massenhaft umgebrochen, um darauf Energiepflanzen wie Mais oder Raps für die überall entstehenden Biogasanlagen anzubauen. Dabei gehen nicht nur wertvolle Lebensräume verloren, sondern auch das eigentliche Ziel, der Klimaschutz, wird verfehlt. Denn die Umwandlung von Feuchtgrünland in intensiv bewirtschaftete Äcker setzt mehr Kohlendioxid frei, als durch den Verzicht auf fossile Energieträger eingespart wird.

Bis heute werden Moore zur Torfgewinnung genutzt. Vor allem in den großen Mooren Osteuropas werden riesige Mengen Torf abgebaut. In Deutschland liegt das Zentrum der Torfindustrie in Niedersachen.

In Mooren mit gestörtem Wasserhaushalt können sich vermehrt Büsche und Bäume ansiedeln. Wird der Gehölzbestand zu dicht, sind diese Flächen für die Bekassine als Lebensraum verloren. Dies trifft auch immer häufiger ehemals extensiv bewirtschaftete, feuchte Wiesen, die aus der Nutzung genommenwerden, weil sie nicht mehr wirtschaftlich sind.

Moore und naturnahe Feuchtgebiete sind auch für Erholungssuchende attraktiv. Für Wiesenbrüter wie die Bekassine kann dies jedoch zum Problem werden. Bei Störungen durch Spaziergänger oder freilaufende Hunde verlassen die Altvögel ihr Nest. Geschieht das häufiger, haben Fressfeinde wie z.B. Raben- und Saatkrähe ein leichtes Spiel, an die normalerweise bewachten Eier oder frisch geschlüpften Küken zu gelangen.

Auch das Thema „Bejagung der Art“ ist nicht außer Acht zu lassen. Die Bekassine und auch andere Schnepfenvögel dürfen in vielen Ländern noch immer bejagt werden. So z.B. in Frankreich, Großbritannien, Spanien und Portugal, den hautsächlichen Überwinterungsgebieten der heimischen Bekassinen. Allein in den Ländern der EU werden jährlich über 500.000 Bekassinen erlegt.

Eine der wichtigsten Maßnahmen, um der Bekassine ihren Lebensraum zu erhalten oder zurückzugeben, ist die Renaturierung und Wiedervernässung von Mooren und Feuchtgebieten. Dies ist oft nur dort möglich, wo sich die Flächen in Naturschutzhand befinden. Dabei sind vor allem für die Neuregulierung des Wasserhaushaltes größere zusammenhängende Bereiche notwendig, um Konflikte mit angrenzenden Nutzern zu vermeiden. Es ist daher Aufgabe der Naturschutzverbände und Stiftungen, wichtige Brut-und Rastgebiete der Bekassine durch Flächenankäufe zu sichern und einen wirksamen Schutzstatus für diese Gebiete zu fordern.

Allein mit der Renaturierung und Unterschutzstellung geeigneter Lebensräume ist es jedoch nicht getan. Hier ist zusätzlich ein sinnvolles Management unerlässlich, das eine angepasste Pflege bzw. die extensive Bewirtschaftung der Flächen regelt. Nur so bleiben die Flächen auch langfristig als Lebensraum für die Bekassine erhalten.

Zu einem effektiven Lebensraummanagement gehört auch eine gute Besucherlenkung. Diese kann zusammen mit einer kompetenten Gebietsbetreuung großflächige Ruhezonen schaffen und

bei den Erholungsuchenden Verständnis und Begeisterung für Bekassine und Co. wecken.

Aber auch außerhalb von Naturschutzflächen können durch eine angepasste Bewirtschaftung Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen die Bekassine erfolgreich brüten kann. So werden bereits in vielen Wiesenbrüterlebensräumen mit den Flächenbewirtschaftern vertragliche Vereinbarungen im Rahmen von sogenannten Agrarumweltprogrammen getroffen, in denen zum Beispiel der Verzicht auf Düngung, der erste Mahdtermin oder die Mähmethode geregelt werden. Die Akzeptanz dieser Verträge und ihre naturschutzfachlichenErfolge hängen in großem Maße von ihrer Flexibilität, der regionalen Anpassung und einer attraktiven finanziellen Ausstattung ab. Doch zu diesen Punkten besteht momentan noch großer Nachbesserungsbedarf: Zu wenige potenzielle Wiesenbrüterlebensräume sind bisher unter Vertrag, und nicht in jedem Fall kann mit einer entsprechenden Bewirtschaftung auch der gewünschte Erfolg erzielt werden. Hier liegt es auch verstärkt an unseren Politikern eine Optimierung der Agrarumweltprogramme zu erreichen.

Jeder von uns kann aber auch selbst zum Lebensraumerhalt der Bekassine beitragen in dem man z.B. torffreie Blumenerde kauft.